Christian Vatter, published in Gründerszene, 11/2012
Markenbildung für Startups: Warum gerade junge Unternehmen frühzeitig bei der Markenbildung die richtigen Weichen stellen sollten.
Allein ein gutes Produkt zu haben reicht oft nicht mehr aus. Deshalb ist Markenbildung gerade für junge Unternehmen von großer Bedeutung. Denn: aus Sicht von Kunden, potentiellen Mitarbeitern oder Investoren gibt es eine unendlich große Auswahl an Services und Produkten; warum sollte also gerade Ihr Unternehmen oder Angebot gewählt werden? Marken kristallisieren nicht nur Vorteile und Kernideen, sondern transportieren sie auch anschaulich. So wird man in der Vielfalt wahrgenommen und im wahrsten Wortsinn „merkbar”. Warum gerade junge Unternehmen hierfür frühzeitig die richtigen Weichen stellen sollten, erläutert Markenexperte und Brand Experience Consultant Christian Vatter.
Bei einem Besuch in den Räumlichkeiten von Gründerszene kam die Frage auf, ob Gründerszene denn eine Marke sei. Die Frage ist klar mit „ja“ zu beantworten, denn es gibt viele Menschen, die eine Vorstellung dessen haben, was die Gründerszene ist und was sie bietet.
Ein von vielen geteiltes Vorstellungsbild ist also schon eine Marke, so einfach ist das. Auf einem ganz anderen Blatt steht allerdings, ob diese Vorstellung für alle einheitlich ist, ob sie diffus oder klar ist, und natürlich ob sie im Sinne des Absenders ist. Diese Aspekte bewusst zu steuern ist die Aufgabe professioneller Markenbildung. Gerade jungen Unternehmen hilft es sehr, ein glasklares Vorstellungsbild ihrer Geschäftsidee beziehungsweise ihres Angebots auf Seiten von Kunden, Mitarbeitern und Investoren zu erwecken.
Das englisches Pendant des Begriffs Markenbildung, „Branding“, wird heute gerne schwerpunktmäßig als etwas aufgefasst, das nicht viel mit inneren Werten zu tun hat, sondern mehr als Fassade, Anstrich oder künstlich aufgesetzt verstanden wird. Das hat wohl damit zu tun, dass man unter Branding bei uns auch den Akt der Corporate-Design-Findung versteht.
Bei Markenbildung für Startups geht es aber vor allem um die Identität und die Idee, die sich hinter einem Unternehmen, seinen Gründern, seinen Produkten verbirgt. Wer es schafft, diese Idee zu schärfen, zum Strahlen zu bringen und für alle wahrnehmbar zu machen, schafft es, den Menschen zu einem Begriff zu werden – und wird damit nachhaltig zu einer Marke.
Bevor man aber zum Begriff wird und Menschen ein Angebot, Produkt oder Unternehmen überhaupt in Erwägung ziehen können, muss es ihnen zunächst einmal ins Bewusstsein rücken. Das ist gar nicht so einfach wenn man bedenkt, dass Menschen jeden Tag von einem riesigen Angebot an Dingen umgeben sind, die um die Aufmerksamkeit von Unternehmen kämpfen. Wurde der Hausschlüssel auch eingesteckt? Ist morgen nicht der Geburtstag von Onkel Erwin? Wann war doch gleich der Termin mit dem Steuerberater? Oft bleibt also nicht viel Platz für einen neuen Anbieter und sein Produkt, dem man begegnet.
Daher lautet die eine Grundregel der Markenbildung für Startups: fokussieren. Weniger ist mehr, denn wer es schafft, seine Idee ohne Ballast und glasklar zu vermitteln, wird leichter aufgenommen oder auch „mitgeschnitten“, wie man heute so schön sagt. Dafür hilft es, sich auf diejenigen Aspekte des Angebots zu konzentrieren, die am interessantesten und relevantesten für die Nutzer sind, und die sich deutlich von konkurrierenden Problemlösungen unterscheiden.
Da heißt es kürzen, destillieren, kristallisieren. Die so geschärfte Markenidee hilft,
Die goldene Regel von Paul Watzlawick „man kann nicht nicht kommunizieren“ gilt auch für die Eindrucksbildung bei Marken. Jede Begegnung mit einem Unternehmen prägt den Gesamteindruck, das Vorstellungsbild, das man von dem Unternehmen bekommt.
Daher lautet die zweite Regel der Markenbildung für Startups konsistente Erlebbarmachung. Denn: wer seine Idee klar und wiederholt über verschiedene wichtige Markenbegegnungen vermitteln kann, setzt seine Marke schneller und gründlicher fest und entwickelt aus einem zunächst vagen Eindruck ein stabiles positives Vorurteil. Und wer neu im Geschäft ist, kann hier von Anfang an die richtigen Zeichen setzen.
Dabei geht es nicht darum, sich sklavisch an Designvorgaben zu halten („Logo immer unten rechts“). Das ist eine überholte Regel der Markenbildung. Es geht vielmehr darum, die Markenidee, die Value Proposition, auf schlaue Weise erlebbar zu machen.
Ein Beispiel dafür ist der zu Amazon gehörige amerikanische Händler Zappos („deliver Wow through service“). Die Liste der Maßnahmen, die Kunden außergewöhnlichen Service erleben lässt, ist lang, zum Beispiel die 24-Stunden 0800-Nummer auf jeder Seite, der kostenfreie Versand in beide Richtungen oder die Telefonhotline, die Kunden gelegentlich an den Wettbewerber verweist, wenn Zappos das Produkt gerade nicht vorrätig hat. Das Unternehmen macht sogar Werbung mit Mitschnitten echter Kundentelefonate. Laut CEO Tony Hsieh gilt bei Zappos guter Service übrigens nicht nur gegenüber Kunden sondern auch gegenüber Angestellten, Partner und Investoren.
Markenbildung für Startups ist einfach und schwer zugleich. Einfach, weil man im Gegensatz zu etablierten Marken auf frische, offene Köpfe ohne festgefahrene Bilder und Meinungen trifft. Eine Schwierigkeit, der beispielsweise Opel derzeit gegenübersteht. Schwer, weil es nicht leicht ist, sich auf eine zentrale Idee beschränken zu müssen, wo doch meist so viel mehr hinter einem neuen Angebot steht. Und schwer, weil gerade am Anfang Konsequenz und Stringenz gefragt sind, um die Idee in den Köpfen zu etablieren.
Wer also frühzeitig die richtigen Weichen stellt und sich auf die Suche nach seiner zentralen Markenidee begibt und diese konsequent umsetzt, wird damit belohnt, seinen Vorteil einfach und klar zu vermitteln und als Idee in den Köpfen der relevanten Kunden, Investoren und Talenten dauerhaft einzupflanzen.